Heute die Saat legen für die biologische Vielfalt von morgen
Jetzt wird's bunt!
Wer selbst ansät, weiss: Die Sortenauswahl ist riesig und reicht von schwarzem Mais über goldfarbene Randen bis zum essbaren Blütenmix. Dass dabei auch für das biologische Gärtnern eine grosse Auswahl besteht, ist nicht zuletzt Sativa Rheinau zu verdanken. Durch Neu- und Erhaltungszüchtungen sorgt der Zürcher Betrieb für biologische Vielfalt in der Welt des Saatguts und im Sortiment von Andermatt Biogarten.

Auf einer idyllischen Halbinsel, umgeben vom Rhein, der die Grenze zum benachbarten Deutschland markiert, findet man die Samengärtnerei von Sativa Rheinau.
Was hier produziert wird, sorgt nicht nur für farbigen Blütenreichtum und etliche Geschmacksvariationen im Gaumen vieler Gartenfans – das Saatgut hat auch eine grosse Bedeutung für die Sortenvielfalt.
Doch wie funktionieren Neu- und Erhaltungszüchtungen im Bio-Betrieb von Sativa Rheinau und welche Rolle spielen Klimawandel und Gentechnologie für die Zukunft der nachhaltigen Saatgutproduktion? Im Gespräch mit Michael Beismann, Öffentlichkeitsarbeit und Verkauf bei Sativa Rheinau, erfahren wir mehr darüber.
Wer Gutes sät, kann noch Besseres ernten! Diese Gründe sprechen für das Saatut von Sativa Rheinau
- Naturnah – 100 % biologisches, gentechfreies Saatgut
- Nachbaufähig – ausschliesslich hybridfreie Sorten, die eine eigene Samenernte ermöglichen
- Genetisch vielfältig – geeignete Sorten für (fast) jeden Standort
- Lokal – an Schweizer Verhältnisse angepasste Sorten mit grossem Wert für die Biodiversität und naturgemäss hohen Erträgen
- Werterhaltend – Schutz und Vermehrung historischer Sorten durch Zusammenarbeit mit ProSpecieRara
- Sozial verwurzelt – als Betrieb der Stiftung Fintan von Natur aus sozial engagiert
Im Gespräch mit Michael Beismann
Andermatt Biogarten: Wofür steht Sativa Rheinau?
Michael Beismann: Sativa bietet biologisch erzeugtes landwirtschaftliches und gärtnerisches Saatgut von über 600 Sorten. Damit spielen wir eine grosse Rolle sowohl in der Versorgung von professionellen Biobetrieben als auch für den Hausgartenbereich. Wir setzen uns für den Erhalt einer grossen Sortenvielfalt ein, indem wir einerseits alte, bewährte Sorten in Zusammenarbeit mit ProSpecieRara erhalten und pflegen. Andererseits entwickeln wir neue, speziell für den Bioanbau geeignete Sorten durch biologische Pflanzenzüchtung.
Welche Faktoren müssen die Sorten erfüllen, die ihr ins Sortiment aufnehmt?
Bei der Auswahl möchten wir ein breites Spektrum an unterschiedlichen Sorten und Typen für den Profi- und Hobbyanbau anbieten, die für den Bioanbau geeignet sind.
Wichtige Kriterien dabei können ein guter Geschmack, Farbenvielfalt und nicht zuletzt die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten sein.
Euer gesamtes Saatgut ist rein biologisch. Was bedeutet der Begriff «Bio» für euch?
Die Vermehrung von Saatgut auf rund 100 biozertifizierten Betrieben im In- und Ausland ist für uns selbstverständlich. Unter dem Motto «Bio von Anfang an» setzen wir uns ausserdem für die Neuzüchtung und Erhaltungszüchtung im Biobetrieb ein. Dies findet meist bei uns in Rheinau (ZH) unter biologisch-dynamischen Bedingungen statt.

Michael Beismann, Öffentlichkeitsarbeit und Verkauf bei Sativa Rheinau
Wie läuft die Samenproduktion Schritt für Schritt ab – von der Aussaat bis zum Abfüllen der Saatgutpackungen?
Aufgrund des Saatgutverkaufs vom Vorjahr vergeben wir Aufträge an unsere rund 100 Vermehrungspartner in der Schweiz, Italien, Deutschland und Frankreich. Das Basissaatgut dafür wird meist bei uns in Rheinau in der eigenen Gärtnerei unter biodynamischen Bedingungen vermehrt und selektiert. Die Vermehrung an anderen Orten begleiten wir mit Beratung und Besuchen zu verschiedenen Zeiten.
Dabei können die Anbaubedingungen bei jeder Sorte unterschiedlich sein. Zum Beispiel muss bei «Fremdbefruchtern» wie Kohlarten oder Rüebli streng darauf geachtet werden, dass keine Einkreuzungen mit anderen Sorten oder Wildpflanzen möglich sind. Ausserdem gibt es neben einjährigen auch zweijährige Kulturen wie Wurzelgemüse und Kohl, bei denen im ersten Jahr Samenträgerpflanzen oder -wurzeln erzeugt werden, die dann erst im Folgejahr Samen bilden.
Nach der Ernte, im Laufe des Sommers und Herbsts, wird die gedroschene und vorgetrocknete Ernte nach Rheinau zur Aufbereitung in unsere eigene Reinigungsanlage geschickt. Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung separieren wir nur die besten Samen und prüfen die Keimfähigkeit im eigenen Labor.
Nur wenn sie unserem hohen Qualitätsanspruch genügen, werden die Chargen für den Verkauf freigegeben. Auch die Lagerung, Abfüllung und Kommissionierung findet in unserem modernen neuen Betriebsgebäude in Rheinau unter optimalen Bedingungen und technischen Voraussetzungen statt.

Pflanzenzüchtung für die Samenproduktion
Neben der Vermehrung sind auch die Züchtung neuer und die Erhaltung altbewährter Sorten eine wichtige Arbeit. Findet auch das in Rheinau statt?
Die Züchtung und Erhaltung von Sorten sind langfristige Arbeiten, die zum grössten Teil von unserem Gärtner- und Züchterteam in Rheinau gewährleistet werden. Daneben haben wir eigene Standorte in Italien und in Deutschland, wo ein Teil der Züchtung stattfindet. Gerade in den letzten Jahren der Sortenentwicklung waren und sind wir jedoch auch angewiesen auf die Prüfung unter realen Bedingungen. Dies geschieht auf professionellen Bio-Betrieben, mit denen wir zusammenarbeiten.
Als Teil der Stiftung Fintan verfolgt Sativa auch soziale Ziele. Welche Bedeutung hat dieser Aspekt für euch?
Unter dem Dach der Stiftung Fintan hat sich ein Netzwerk von selbstständigen Betrieben entwickelt, die gemeinsame soziale und ökologische Ziele verfolgen und sich gegenseitig ergänzen und unterstützen. Dazu gehören neben Sativa ein Demeter-Landwirtschaftsbetrieb, Sozialtherapie und Eingliederung, die biodynamische Ausbildung, Reittherapie und weitere Betriebe. Es wurden zahlreiche Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit unterschiedlichsten Voraussetzungen geschaffen. Der Austausch und die Begegnung durch gemeinsame Anlässe und Feste sind uns dabei sehr wichtig.

Selektion verschiedener Samen
Was hat es mit dem Projekt «mit vereinten Gärten» auf sich?
Das Projekt «mit vereinten Gärten» haben wir für die Salatzüchtung ins Leben gerufen, um die Widerstandsfähigkeit unserer Sorten gegen Mehltau unter möglichst vielen Standortbedingungen zu testen. Dabei können sowohl Gärtnerbetriebe als auch Privatgärtner mitmachen und so Einblick in den spannenden Prozess der Sortenzüchtung gewinnen.
2023 beteiligten sich rund 1400 Personen in verschiedenen Ländern an diesem erfolgreichen Projekt. Mittlerweile wurden auf dieser Basis die ersten besonders robusten Sorten ausgewählt.
Wie kann man eure Anliegen sonst noch unterstützen?
Über unsere Kataloge und die Webseite informieren wir regelmässig über aktuelle Themen rund ums Saatgut, bei denen wir um Unterstützung bitten. Das Thema der Stunde ist die «Deregulierung der neuen Gentechnik», die uns in Zukunft vor grosse Herausforderungen stellen wird.
Um unsere Arbeit und Anliegen direkt zu unterstützen, freuen wir uns über zahlreiche Aktionäre als Voraussetzung für den weiteren Aufbau einer eigenständigen und unabhängigen Saatgutversorgung für den Biolandbau.
Stichwort «Gentechnik»: Welche Herausforderungen seht ihr für die Zukunft der biologischen Sortenvielfalt?
Die Nachfrage nach Biosaatgut steigt langsam, aber stetig. Gleichzeitig nimmt auch die Monopolisierung des weltweiten Saatgutmarktes zu – rund 75 % des gehandelten Saatguts stammt von drei Firmen. Durch Patentierung von Sorten und Pflanzen sowie neue gentechnische Methoden wird die Sortenvielfalt zusätzlich weiter eingeschränkt.
Doch in den letzten 20 Jahren sind diese Probleme auch weithin bekannter geworden und zahlreiche Initiativen sind entstanden, die sich für die Sortenvielfalt einsetzen. Sehr beliebt sind die von ProSpecieRara veranstalteten Märkte sowie Samenfestivals und Tauschbörsen an vielen Orten.
Neben wirtschaftlichen Entwicklungen sorgen sicher auch klimatische Veränderungen für einige Herausforderungen?
Ja, deutlich spüren auch wir die durch den Klimawandel bedingten Veränderungen. Es braucht neue Sorten, die den zukünftigen Gegebenheiten besser angepasst sind, worauf wir auch mit unserer Züchtung unter «realen» Bedingungen hinarbeiten. Als Kreuzungspartner verwenden wir oft ältere Sorten, um sie an die heutigen Bedingungen anzupassen.

Vorbereitete Jungpflanzen für die Keimprobe
Wer die Saatgutprozesse vor Ort erleben und in die Welt von Sativa Rheinau eintauchen möchte, kann an eindrücklichen Führungen in Rheinau teilnehmen. Mehr Infos dazu gibt es unter www.sativa-rheinau.ch.